Peter Jaenecke > Wissensordnung und Wissensorganisation

Auf den ersten Blick scheint es sehr zahlreiche Ursachen für Fehlentscheidungen zu geben. Genauer besehen lassen sich jedoch die Ursachen in zwei Klassen einteilen: Fehlentscheidungen aufgrund methodischer Defizite und solche aufgrund von unzureichendem Wissen. Beides bedingt sich wechselseitig: Methodische Defizite führen zu unzureichendem Wissen und dieses wiederum zu methodischen Defiziten. Erstaunlicherweise ist man heute zunehmend bereit, Fehlentscheidungen unter dem Schlagwort 'Risiko' einfach hinzunehmen. Dabei wird Risiko oft so wahrgenommen, als handele es sich um eine Art unvermeidbarer Naturgewalt. Man kann die Sache aber auch von einer anderen Seite her sehen und fragen: gibt es nicht Möglichkeiten, Fehlentscheidungen aufgrund von unzureichendem Wissen zu vermeiden oder wenigstens ihre Zahl zu vermindern? Mit dieser Frage setzt sich der vorliegende Beitrag auseinander. Er unterscheidet zwischen dem verfügbaren Wissen in den Köpfen der Menschen (Kopfwissen) und dem in Speichern abgelegten schriftlich kodierten Wissen (Speicherwissen). Allein das Kopfwissen ist für Fehlentscheidungen verantwortlich; dessen Güte gilt es somit durch Rückgriff auf das Speicherwissen zu verbessern. Das gelingt aber nur, wenn das Speicherwissen selbst hinreichende Qualität besitzt. Das ist aber heute nicht immer der Fall: Durch die unablässig wirkende Spezialisierungsspirale verflacht das Wissen immer mehr. Wenn man das Übel wirklich packen will, muss man die Spiralbewegung unterbrechen; dies ist eine der Hauptaufgaben der Wissensorganisation. Als ersten Schritt in diese Richtung wird die Gewinnung von kompakt dargestelltem Wissen in einer CABANIS – WIKI vorgeschlagen und die WIKI- Struktur vorgestellt.

Wozu Wissensorganisation?

Der vorliegende Diskussionsbeitrag dient der Standortbestimmung von Wissensorganisation. Zunächst werden einige kommunikationstheoretische Grundbegriffe präzisiert. Die neuen Begriffe erlauben die Feststellung, daß gegenwärtig keine Informations-, sondern eine Nachrichtenflut herrscht, und daß es unzulässig ist, letztere undifferenziert mit einer Wissensflut gleichzusetzen. Nachrichten müssen nach ihrem Gehalt beurteilt werden. Zu diesem Zweck wird Wissen in Kern-, Rand- und Pseudowissen unterteilt; es wird die Vermutung geäußert, daß der weitaus überwiegende Teil der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Rand- und Pseudowissen betrifft. Anhand von zwei ineinandergreifenden und sich selbst verstärkenden rekursiven Mechanismen wird gezeigt, wie Pseudowissen vor allem außerhalb der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer immer mehr um sich greift, also gerade in jenen Fächern, die sich im weitesten Sinn mit gesellschaftlichen Problemen befassen. So kommt es zu einem Defizit an Handlungswissen und zu einer allgemeinen Orientierungslosigkeit - einer modernen Form von Unwissenheit, die sich gegenwärtig in aller Schärfe als Führungskrise äußert. Das Internet vereinfacht die Literaturbeschaffung und fördert die Entwicklung von freien Enzyklopädien, kann aber die grundlegenden wissensorganisatorischen Probleme nicht lösen. Die sich hieraus für die Wissensorganisation ergebenden Forschungsaufgaben werden in groben Zügen skizziert. Wozu Wissensorganisation? Worin sollte die Aufgabe der Gesellschaft für Wissensorganisation bestehen? - Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung liegen folgende Antworten nahe: Globales Ziel der Wissensorganisation sollte es sein, der modernen Form von Unwissenheit entgegenzuwirken. Hierzu bedarf es der Zusammenarbeit zahlreicher Disziplinen, die nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Aktivitäten der einzelnen Disziplinen zweckmäßig miteinander koordiniert werden; dies sollte Aufgabe der Gesellschaft für Wissensorganisation sein.  Im Anhang werden historische Beiträge zur Wissensorganisation vorgestellt.

Knowledge Organization due to Theory Formation

Theory formation is regarded as a process of domain-internal knowledge organization. Misunderstandings about the concept ‘theory’ are explained. A the­ory is considered as a systematical representation of a domain realized by three closely related theory-forming actions: establishment of a suitable system of basic concepts, ordering of the experience or given experimental results and synt­hesizing of conflicting hypotheses. In this view, theory formation means an ambitious kind of knowledge representation. Its consequences are summarized and its importance for the humanities and for society is emphasized.

On the Structure of the Global Knowledge Space

A semantic network is defined as the formal basis for a global knowledge space. The fundamental constituents of that space are the knowledge modules. Their structures are explicated in terms of the semantic network terminology, however, they can be viewed also as the semantic for markup languages like topic maps. The modules are identified as elementary units with which a scientific theory can be reconstructed. Theories are represented in the knowledge space as paths. The consequences of such knowledge space are discussed for both epistemology and science.

Wissensbausteine

Wissensbausteine werden aufgefaßt als gedankliche Einheiten geeignet zum Darstellen von wissenschaftlichem Wissen auf einem elektronischen Medium. Wir gehen zunächst auf den Unterschied zwischen sprachlichen und gedanklichen Einheiten ein, formulieren danach die allgemeinen Anforderungen an die Wissensbausteine, charakterisieren ihre Struktur, erläutern diese an einigen ausgewählten Beispielen, zeigen, wie mit Hilfe der Wissensbausteine ein allgemeiner Wissensraum aufgebaut werden kann und diskutieren abschließend einige Konsequenzen, die sich aus solch einem Raum ergeben.